Schutz ist kein Zufall: Warum Prävention sexualisierter Gewalt im Verein so wichtig ist

Prävention und Kinderschutz gehören ganz nach oben auf die Agenda von Vereinen. Und der Grund ist nicht nur „gefühlte Sicherheit“, sondern harte Realität: sexualisierte Gewalt ist häufiger, als es uns lieb ist, und sie hinterlässt tiefe, oft lebenslange psychische, soziale und körperliche Spuren bei Betroffenen. Deshalb muss Prävention systematisch, strukturiert und nicht als „nice to have“ verstanden werden.

Warum Prävention und Kinderschutz so wichtig sind

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache

  • Studien zeigen, dass mindestens 12,7 % der Erwachsenen in Deutschland berichten, in ihrer Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt erlebt zu haben – das entspricht Millionen Menschen. (infodienst.bioeg.de)
  • Hochgerechnet betrifft das etwa 1 Million Kinder und Jugendliche in Deutschland, also statistisch 1–2 Kinder pro Schulklasse. (zartbitter-muenster.de)
  • Weltweit gaben bei einer großen Meta-Analyse ca. 19,9 % der Frauen und 13,8 % der Männer an, in ihrer Kindheit sexualisierte Gewalt erlebt zu haben. (beauftragte-missbrauch.de)
  • In Sport- und Freizeitbereichen, also auch in Vereinen, sind Kinder und Jugendliche nicht geschützt: Rund 1 von 5 Kindern in Europa erlebt irgendwann eine Form von sexualisierter Gewalt – und gerade im Sport kann das passieren, weil Vertrauen und Nähe zur Norm gehören. (human-rights-channel.coe.int)

Und das sind nur die Fälle, die überhaupt berichtete werden. Das sogenannte Dunkelfeld – also das nicht gemeldete oder nicht bekannte Ausmaß – ist deutlich größer. (infodienst.bioeg.de)

Die Folgen für Betroffene sind massiv

Sexualisierte Gewalt ist kein „Einzelfall“, der ohne Konsequenzen bleibt. Die Forschung zeigt, dass Kinder und Jugendliche, die Opfer wurden, häufig:

  • psychische Langzeitschäden entwickeln, z. B. Depressionen, Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen,
  • Probleme in Beziehungen und beim Vertrauen haben,
  • im Erwachsenenalter häufig noch körperliche und soziale Schwierigkeiten erleben.

Diese Folgen sind nicht nur individuell tragisch, sondern haben auch gesellschaftliche Kosten – psychische Belastungen, Therapiebedarf, Auswirkungen auf Bildung und Teilhabe.

Warum Vereine eine Schlüsselrolle haben

Vereine sind für viele Kinder ein zweites Zuhause:

  • Vertrauensbeziehungen entstehen zwischen Kindern und Trainer:innen/Betreuer:innen.
  • Es gibt körperliche Nähe und Betreuungssituationen (z. B. Umkleiden, Trainings), die Risiken bergen können.
  • Kinder sind in der Regel auf Erwachsene angewiesen, die Macht über sie haben (Trainingspläne, Betreuung, Platzvergaben).

Gerade deshalb muss Prävention im Verein systematisch verankert sein – nicht nur sporadisch oder „wenn Zeit ist“. Denn wo Kinder Schutz suchen, dürfen sie nicht Gefahr finden.

Was statistische und praktische Perspektiven unterstreichen

👉 Präventionsmaßnahmen wirken: Sensibilisierung, klare Schutzkonzepte und Ansprechpersonen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Missbrauch entdeckt, angezeigt und gestoppt wird, bevor weitere Kinder betroffen sind.

👉 Ohne Schutzkonzepte bleibt Risiko bestehen: Monitoring in Schulen zeigt, dass Schutzkonzepte nur langsam umgesetzt werden und oft nur als halbe Maßnahmen existieren – und dort, wo sie etabliert sind, steigt die Sicherheit. (beauftragte-missbrauch.de)

👉 Vereine haben noch Nachholbedarf: Studien zu Sportvereinen zeigen, dass kinderschutzrelevante Themen in vielen Vereinen noch nicht umfassend angekommen sind – z. B. sind Ansprechpersonen oder spezialisierte Schulungen häufig die Ausnahme. (beauftragte-missbrauch.de)

Schulung und Sensibilisierung

    • Fortbildungen für alle Verantwortlichen: Alle Trainer, Betreuer und Vorstandsmitglieder sollten regelmäßig Schulungen zur Prävention von sexualisierter Gewalt und zu rechtlichen Grundlagen absolvieren.
    • Sensibilisierungskampagnen: Aufklärung über die Formen sexualisierter Gewalt und deren Auswirkungen. Hierzu gehören Informationsveranstaltungen und Materialien, die auf die Prävention hinweisen.
  1. Klare Verhaltensregeln und Richtlinien:
    • Verhaltenskodex: Vereine sollten einen klaren Verhaltenskodex entwickeln, der das Verhalten von Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen und Mitgliedern im Umgang miteinander regelt. Dies kann auch ein Ansprechpartner für Betroffene umfassen.
    • Einverständniserklärungen: Insbesondere für Kinder- und Jugendgruppen sollten klare Richtlinien über körperliche Nähe und Interaktionen bestehen.
  2. Hintergrundüberprüfungen:
    • Erweiterte Führungszeugnisse: Alle Personen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sollten ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen müssen.
    • Prüfung der Eignung: Zusätzlich zur rechtlichen Überprüfung sollten auch persönliche und fachliche Eignung sowie Motivation zur Arbeit mit jungen Menschen hinterfragt werden.
  3. Ansprechpersonen und Unterstützung:
    • Vertrauenspersonen: Vereine sollten Vertrauenspersonen benennen, an die sich Betroffene von sexualisierter Gewalt wenden können. Diese Personen sollten gut geschult und für solche Fälle sensibilisiert sein.
    • Externe Beratungsstellen: Es ist sinnvoll, auch Kontakte zu externen Beratungsstellen zu pflegen, um bei Verdachtsmomenten Unterstützung zu erhalten.
  4. Anonyme Meldemöglichkeiten:
    • Meldesysteme: Anonyme oder vertrauliche Meldesysteme ermöglichen es, Verdachtsmomente auf sexualisierte Gewalt zu melden, ohne dass die Betroffenen sofort bekannt werden müssen.
  5. Prävention in der Vereinsstruktur verankern:
    • Ressourcen bereitstellen: Es ist wichtig, Prävention als festen Bestandteil der Vereinsarbeit zu etablieren und die nötigen Ressourcen – Zeit, Geld, Expertise – dafür bereitzustellen.
    • Regelmäßige Evaluation: Es sollten regelmäßig Evaluationsprozesse stattfinden, um die Wirksamkeit der Präventionsmaßnahmen zu überprüfen.
  6. Kooperation mit Fachstellen:
    • Zusammenarbeit mit Fachberatungsstellen: Vereine sollten mit spezialisierten Beratungsstellen zusammenarbeiten, um sich über aktuelle Entwicklungen und Best-Practice-Ansätze in der Prävention auf dem Laufenden zu halten.

Die Prävention von sexualisierter Gewalt in Vereinen erfordert ein langfristiges und tiefgehendes Engagement, das weit über einmalige Schulungen hinausgeht. Die Umsetzung einer Kultur des respektvollen und sicheren Miteinanders ist essenziell, um das Risiko für Übergriffe zu minimieren.

📌 Fazit

Prävention ist kein „Extra“, sondern zentraler Bestandteil einer verantwortungsvollen Vereinsarbeit. Die Zahlen zeigen: sexualisierte Gewalt ist Realität, nicht hypothetisch. Jeder Verein, der Kinder und Jugendliche betreut, steht in der Verantwortung, Schutz ernst zu nehmen – für das Wohl der Kinder, für das Vertrauen der Eltern und für eine gesunde Vereins- und Sportkultur.

 

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