Das erste Mal, dass ich einer Betriebsversammlung beiwohnen durfte, war etwa 2013. Ich war als freie Redakteurin in einer großen Münchner AG tätig und die Redaktionsleitung lud die anderen freien Mitarbeiter und mich, nach Absprache mit dem Betriebsratsvorsitzenden, zu dieser Versammlung ein.

Das gesamte Podium wurde von den Mitgliedern des Betriebsrates eingenommen, etwa 1.000 Mitarbeiter erschienen, um sich die Informationen anzuhören. Und das allein an diesem Standort, weitere sind international verteilt. Ein für mich sehr imposantes Bild.

Ein prägendes Bild. Denn ab diesem Moment fand ich Betriebsratsarbeit unterstützenswert.

Betriebsratsarbeit als Fokus

So arbeitete ich mich in die Materie ein und lernte verschiedene Vorgehensweisen von Betriebsräten kennen. Manchen ist ein gutes Verhältnis zum Arbeitgeber das Wichtigste, andere gehen pauschal auf kontra. Die meisten aber sind um ein gutes Verhältnis zum Arbeitgeber bemüht, ohne aber ihre eigentliche Aufgabe aus den Augen zu verlieren.

Sieben Jahre später darf ich ein Unternehmen bei ihrer ersten virtuellen Betriebsversammlung begleiten.

Spontane Entscheidung zur digitalen Betriebsratssitzung

Die Entscheidung für diese Art der Veranstaltung fällt relativ spontan. Vom Betriebsrat wurde die vorangegangenen Wochen immer wieder erwähnt, dass sich die steigenden Coronazahlen nicht positiv auf eine persönlich abgehaltene Betriebsversammlung auswirken und sie würden als Gastgeber nicht die Verantwortung für dieses Event übernehmen, sollte es eine Präsenzveranstaltung werden. Die Geschäftsführung hingegen hat bis zum letzten Augenblick auf diese Möglichkeit gehofft.

Digitalisierung wird in diesem Unternehmen nicht groß geschrieben, zu viel Angst, dass etwas nicht richtig laufen könne. So wurde sich erst Anfang des Jahres im Zuge des Lockdowns überhaupt eingehend mit dem Thema beschäftigt.

Der Betriebsrat aber ließ in diesem Fall nicht locker. Bis die Geschäftsführung etwa zwei Wochen vor dem Termin letztlich ihr ok für die virtuelle Variante gab.

Wenig Zeit für Digitalisierung

Zwei Wochen sind nicht viel Zeit, um das technisch Notwendige zu arrangieren, wenn das Unternehmen noch in den digitalen Kinderschuhen steckt. Die IT-Abteilung war daher vollkommen ausgelastet.

Stattfinden wird das Prozedere via Microsoft Teams. Viele Unternehmen hatten sich während des Lockdowns Anfang des Jahres spontan für eine virtuelle Begegnungsmöglichkeit entscheiden müssen, das Microsoft-Angebot ist aus Datenschutzgründen wohl eines der am häufigsten gewählte.

Für einzelne Gespräche oder auch kleine Teamsitzungen ist das Programm, so wie es installiert ist, bestens geeignet. Für den Betriebsrat als Gastgeber einer unternehmensweiten Präsentation hingegen sind die Lizenzen, so wie sie vergeben sind, unzulänglich. Damit ist die IT nun mehrere Tage beschäftigt.

Der Testlauf, nur zwei Tage vor dem Termin der Versammlung, verläuft negativ. Viele Einstellungen sind dem Betriebsrat als Veranstalter der Veranstaltung nicht möglich.

Hindernisse, Herausforderungen und Baustellen

So können die Gastgeber nicht automatisch alle Teilnehmer auf stumm schalten. Auch eine komplette Untersagung von Kameras für die Teilnehmenden ist nicht möglich. Die Präsentation der vorbereiteten Unterlagen erfolgt ebenfalls nicht ohne Herausforderung, ein Testlauf ist nicht möglich. Entsprechend hoch ist die Nervosität.

Die Aufteilung innerhalb des Betriebsrats ist geregelt: Der Vorsitzende wird die Präsentation halten, die Stellvertretung währenddessen den Chat betreuen. Die weiteren Mitglieder behalten die Wortmeldungen im Auge und weisen Redner oder Chatbetreuer gegebenenfalls darauf hin.

Spontaner Gastredner

Schon morgens soll die Versammlung beginnen. Spontan kündigt der Vorstand am Vorabend noch Redezeit an.

Üblich ist das nicht. Der Betriebsrat hat das Recht, die Geschäftsführung um einen Bericht zu bitten, auch kann diese Bitte seitens der Geschäftsführung oder des Vorstands geäußert werden. Dass aber trotz mehrmaligen Nachfragens und Ablehnens dann spontan am Vorabend doch Redezeit erbeten wird, ist kein Usus. Auch muss es nicht genehmigt werden.

Für diesen Fall aber sprechen sich die Mitglieder des Betriebsrats ausnahmsweise für die spontane Zwischeneinlage aus. Aus den beantragten drei Minuten werden schnell zehn. Zudem wird durch die Rede der Anschein erweckt, dass es sich um eine betriebsseitige Veranstaltung handeln würde. Lediglich ein kurzer Dank zum Ende der Versammlung hin geht in Richtung des Betriebsrates.

Bad practise

Das ist eine Vorgehensweise, wie man es nicht machen sollte. Zwar wird die Betriebsversammlung, von denen je nach Unternehmensgröße jährlich mindestens drei stattfinden müssen, gerne auch für die obligatorischen Berichte von Geschäftsführung und Vorstand genutzt, dennoch bleibt die Versammlung eine Veranstaltung vom Betriebsrat. Geschäftsführung und Vorstand sind lediglich Gäste.

Das sollten die Gäste, der ausschließliche Zuhörer ebenso wie der Gastredner, zu jedem Zeitpunkt respektieren.

Ein überschwänglicher Dank an andere Organe eines Unternehmens als den Betriebsrat ist daher fehl am Platz und kann sich im schlimmsten Fall negativ auf das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung bzw. Vorstand oder Gastredner auswirken. Damit ist niemandem geholfen. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite ist oftmals effektiver als zwei kontrahente Lager.

Soviel zum Best practise.

Fazit

Insgesamt läuft diese Versammlung, besonders unter Anbetracht der technischen Schwierigkeiten im Vorfeld, sehr gut. Mit einer Dauer von über 90 Minuten ist diese Variante auch nicht kürzer als die vergleichbaren Präsenz-Versammlungen der letzten Jahre.

Mein Tipp für digitale Konferenzen 

Wer zu Zeiten von Corona eine online-Veranstaltung mit vielen Teilnehmern stattfinden lassen möchte, tut sich gut daran, die technischen Gegebenheiten so früh wie möglich zu prüfen und gegebenenfalls nachzujustieren.

Wie so oft gilt: Better done than perfect – lieber erledigt als perfekt. Kleine Schwierigkeiten kann es immer geben, auch bei einer Präsenz-Veranstaltung (das Mirko fällt aus, die Lüftung läuft auf Hochtouren, Handys klingeln, etc.). Daher lieber mit nicht optimalen Gegebenheiten starten, als wichtige Konferenzen ersatzlos zu streichen.

Auch die Vorbereitungen der Präsentation unterscheiden sich nicht allzu sehr zu denen einer Präsenz-Veranstaltungen, allerdings sollte immer im Auge behalten werden, dass die Aufmerksamkeitsspanne online nicht unbegrenzt erhalten bleibt und sowohl Konzentration als auch Motivation beim Zuhörer schnell verloren geht. Daher gilt, online noch mehr als sonst, dass sich die Redner kurz fassen und auf das Wesentliche beschränken sollten. 

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