Das BEM: Ein Brief aus dem Arbeitgeberpostfach: Der Briefkasten klingelt. Ein Schreiben des Arbeitgebers liegt darin – und es ist ein Schreiben zur betrieblichen Wiedereingliederung (BEM). Viele Mitarbeiter*innen fühlen sich zunächst überfordert: Juristische Begriffe, Paragrafen aus Sozial- und Gesetzesbüchern, Worte wie Arbeitsplatzerhalt oder berufliche Nachteile wirken einschüchternd.
Wer noch nie mit dem BEM in Berührung kam, kann sich schnell überfordert fühlen – doch das System hat klare Regeln und Ziele.
Wer bekommt eine Einladung zum BEM?
Alle Angestellten, die innerhalb eines Jahres sechs Wochen oder länger erkrankt waren, erhalten eine Einladung zum BEM. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um eine lange Erkrankung oder mehrere kurze Abwesenheiten handelt.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein solches Gespräch anzubieten. Die Teilnahme ist für den Arbeitnehmer freiwillig, Gründe für eine Absage müssen nicht genannt werden.
Rechtsgrundlage: § 84 SGB IX
Gesetzestext hier
Ziel des Gesprächs
Im BEM-Gespräch geht es darum, gemeinsam Wege zu finden, weitere Erkrankungen zu verhindern oder bestehende Beschwerden zu lindern.
Maßnahmen können sehr unterschiedlich sein:
- Ergonomische Anpassungen am Arbeitsplatz bei Rückenproblemen
- Versetzungen bei Konflikten oder Mobbing
- Teamwechsel oder individuelle Arbeitszeitmodelle
- Unterstützung bei der Gesundheitsförderung
Die Gründe für die Erkrankung müssen dabei nicht offengelegt werden – sie können hilfreich sein, sind aber keine Pflicht.
Wer führt das BEM-Gespräch?
Idealerweise gibt es einen BEM-Beauftragten im Unternehmen. Fehlt diese Position, können Personalabteilung, Abteilungsleitung oder Geschäftsführung das Gespräch führen.
Wichtig: Je höher die Position der Gesprächspartnerinnen, desto eher fühlen sich Mitarbeiterinnen möglicherweise eingeschüchtert. Auch die Anwesenheit mehrerer Personen kann Hemmschwellen erhöhen.
Arbeitnehmer*innen haben das Recht, sich von einer Vertrauensperson begleiten zu lassen – das kann ein Anwalt, Betriebsratsmitglied oder eine private Bezugsperson sein.
Ablauf und Wirkung
Ziel des BEM ist, dass der Arbeitnehmer wieder vollumfänglich arbeitsfähig wird.
- Vorschläge des Mitarbeiters werden besprochen
- Das Unternehmen prüft, welche Maßnahmen umsetzbar sind
- Schriftliche Fixierungen bedürfen vorheriger Zustimmung des Mitarbeiters
Das BEM soll helfen, weitere Krankheitsausfälle zu verhindern und einen sicheren Wiedereinstieg zu ermöglichen.
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Arbeitgeber haben eine gesetzliche Fürsorgepflicht. Sie müssen sicherstellen, dass Arbeitnehmer*innen durch ihre Tätigkeit physisch und psychisch keinen Schaden nehmen.
Gleichzeitig kann von einem Unternehmen nicht erwartet werden, alle Abläufe für einzelne Mitarbeiter*innen komplett anzupassen. Krankheitsbedingte Kündigungen bleiben daher unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Krankheitsbedingte Kündigung
Eine Kündigung ist in der Regel nur dann zulässig, wenn:
- Die Gesundheitsprognose unsicher ist
- Eine langfristige Beeinträchtigung zu erwarten ist
- Betriebliche Interessen erheblich beeinträchtigt werden
Kündigungsschutz greift ab:
- Mitarbeiterzahl: mindestens 10
- Betriebszugehörigkeit: mehr als 6 Monate
Eine vorherige Abmahnung ist nicht erforderlich, aber ein BEM-Gespräch ist oft Voraussetzung für die Rechtssicherheit.
Fazit: BEM als Chance
Auch wenn ein BEM in Einzelfällen ein Schritt hin zur Kündigung sein kann, ist es in den meisten Fällen positiv zu bewerten.
- Gemeinsam lassen sich Lösungen finden, die für beide Seiten tragbar sind
- Weiteren Ausfällen kann vorgebeugt werden
- Wer sich unsicher fühlt, kann sich an Betriebs- oder Personalrat bzw. Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden
Richtig genutzt, ist das BEM ein Instrument der Prävention und Fürsorge, das Mitarbeiter*innen und Unternehmen gleichermaßen zugutekommt.

