Fair ist nicht immer fair. Hilfreich auch nicht immer hilfreich. Das individuelle Empfinden und die eigenen Bedürfnisse bilden die Basis für alle Bereiche des Lebens.
Im Laufe der Jahre werden wir immer wieder feststellen, dass die eigene Sichtweise nicht zwingend der der anderen entspricht. Auch, vielleicht sogar insbesondere, bei Themen wie Fairness und Hilfe. Denn nicht immer ist Fairness auch fair.
Gedachte Fairness ist nicht automatisch wirklich fair
Einfaches Beispiel: Eine Mutter möchte alle ihre Kinder gleichermaßen, also in ihren Augen fair, behandeln. So bekommen alle nach dem Abendessen fünf Stück Gummibärchen, jeder eines von jeder Farbe.
Die Kinder aber finden das gar nicht fair. Wie kann das sein?
Eines der Kinder mag gar keine Gummibärchen. Viel lieber hätte es Chips. Die gibt es aber heute nicht. Es fühlt sich unfair behandelt.
Kind Nummer 2 mag zwar die roten Gummibärchen, aber alle anderen Farben nicht. Es darf nicht tauschen. Es fühlt sich unfair behandelt.
Das dritte Kind ist viele Jahre älter als die anderen. Dennoch bekommt es die gleiche Menge an Gummibärchen. Es fühlt sich unfair behandelt.
Wirklich fair ist in diesem Szenario nicht die absolute Gleichbehandlung der Kinder, sondern die relative. Das erste Kind wäre mit fünf Chips ebenso glücklich wie Kind zwei mit fünf roten Gummibärchen. Durch den großen Altersunterschied könnte eine faire Verteilung für Kind drei bedeuten, dass es statt der einheitlichen fünf Stücke vielleicht acht bekommt.
Fairness ist nicht gleichzusetzen mit jeden gleichermaßen zu behandeln. Fairness ist vielmehr, auf den einzelnen und dessen individuelle Wünsche und Bedürfnisse einzugehen.
Hilfe ist nicht automatisch hilfreich
Ebenso verhält es sich mit Hilfe.
Bleiben wir beim Beispiel der Mutter und den Kindern.
Das erste Kind ist ein schulischer Überflieger. Alles, was in der Schule durchgenommen wird, sitzt. Zu Hause lernen muss dieses Kind nicht.
Kind Nummer zwei hingegen ist ein Mathe-Ass, tut sich mit Sprachen hingegen schwer. Es benötigt Hilfe beim Vokabeln abfragen und Unterstützung beim grammatischen Verständnis.
Kind drei wiederum ist praktisch veranlagt. Es versteht die Dinge am besten, wenn es diese selbst austestet und anwendet. Im Zimmer sitzen und lernen bringt nicht viel. Vokabeln merkt es sich am besten durch Anwendung, etwa in Tandem-Gesprächen oder durch fremdsprachige Filme.
Die Mutter ist diplomierte Dolmetscherin für sieben Sprachen und findet nichts leichter, als eine neue Sprache zu lernen. Sie hilft keinem ihrer Kinder, wenn sie von ihrem eigenen Talent ausgeht.
Sie kann ihren Kindern erst dann eine Hilfe sein, wenn sie sich nach den Bedürfnissen des einzelnen richtet.
Kind eins muss lediglich täglich in die Schule gehen, um gute Noten zu erzielen.
Kind zwei hingegen benötigt Hilfe von Form von abgefragt werden und braucht ergänzende Erklärungen bei der Grammatik.
Mit Kind drei wiederum führt sie am besten Gespräche in der zu lernenden Sprache oder lässt es Sendungen in der Fremdsprache sehen, um ihm zu helfen.
Weg von der Ich-Perspektive, hin zum du
Nicht selten sind wir überrascht, wenn wir etwas gut gemeint haben, der andere dies aber nicht zu schätzen weiß. Die eigene Sichtweise kann zwar zum gewünschten Ergebnis führen, ebenso aber kann es zu einem Eklat kommen.
Viel zu oft fühlen wir uns gekränkt und werden traurig oder gar wütend, wenn der andere unsere Bemühungen nicht so zu schätzen weiß, wie wir es uns erhofft haben. Stattdessen wäre es gut, wenn wir uns auf unsere eigentliche Intension, das Positive, konzentrieren. Und das geht nur, wenn wir nicht uns selbst, sondern das Gegenüber in den Mittelpunkt stellen.
Wer jemanden wirklich fair behandeln oder ihm tatsächlich helfen möchte, muss sein eigenes Ego beiseite legen.
Hilfreich ist es, nachzufragen: Was wünscht sich das Gegenüber? Was braucht es? Welche Unterstützung oder gute Tat bereitet ihm eine Freude?
Nur, wenn wir im Sinne des anderen handeln, können wir sicher sein, die beabsichtigte Fairness, Hilfe und Unterstützung zu geben, die wir beabsichtigen.